DANKE!
ZUSAMMEN! Benefiz für die Kinder der Ukraine
6. April 2022
DANKE
Liebes Publikum,
wir möchten uns gerne bei Ihnen für die überwältigende Spendenbereitschaft bedanken.
Bis heute sind 40.000 € eingegangen.
Hier können Sie weiterhin für die Kinder der Ukraine spenden:
Spendenkonto SAVE THE CHILDREN
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE92100205000003292912
BIC: BFSWDE33BER
Stichwort: Zusammen
Alle Einnahmen werden an Save the children e.V. zur Unterstützung von in Not geratenen Kindern der Ukraine gespendet.
Mit herzlichen Grüßen
Ulrich Waller
Grußwort von Senator Dr. Carsten Brosda
anlässlich der Benefizveranstaltung am 6. April 2022
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich, heute hier sein und hier sprechen zu können. In der Vorbereitung habe ich überlegt, wann ich selbst das erste Mal mit der ukrainischen Kultur in Verbindung gekommen bin. Dies muss in den 1990er-Jahren gewesen sein. Damals war ich Journalist und durfte ein Buch rezensieren, das „Picknick auf dem Eis“ heißt und von dem ukrainischen Schriftsteller Andrej Kurkow geschrieben wurde.
In diesem Buch geht es um eine wunderbare Geschichte, die in Kiew in der postsowjetischen Zeit spielt. Es geht um einen Schriftsteller, Viktor, der keinen Erfolg hat und der, warum auch immer, mit einem depressiven Pinguin namens Mischa in seiner Wohnung zusammenlebt. Viktor verfasst Nachrufe auf Menschen, die noch leben. Und diese sterben dann immer kurz nachdem er die Nachrufe abgegeben hat. Später wird der Pinguin krank und bekommt ein Spenderherz. Und selbst das ist immer noch nicht die komplexeste Sache, die in diesem Buch passiert.
In diesem Buch fällt ein Satz, der es in sich hat: „Besser nichts wissen, aber leben“. Mit diesem Satz versucht der Schriftsteller Viktor sich so durchzulavieren, weil er nicht verstehen will, warum eigentlich nach diesen Nachrufen das passiert, was passiert.
Aber dieses „Besser nichts wissen, aber leben“ ist kein guter Ratschlag. Das haben wir alle in den letzten Wochen drastisch erleben müssen. Nicht-Hinsehen und Nicht-Hinhören hilft nicht dabei zu leben. Das Entscheidende ist vielmehr das Wissen und die gemeinsame Suche danach, wie wir vernünftig zusammen leben können.
Andrej Kurkow ist heute Präsident des PEN in der Ukraine und plädiert vehement gegen die Gleichgültigkeit und gegen die Gefälligkeit und dafür genauer hinzusehen, um zu verstehen, was gerade in seinem Heimatland passiert.
Meine Damen und Herren,
der Krieg, der am 24. Februar durch Putin entfesselt worden ist, hat uns alle fassungslos gemacht. Und die Frage ist, warum das so ist, wo doch im Grunde schon lange absehbar war, dass dies passieren konnte. Aber offensichtlich haben unsere Vorstellungskraft und unsere Bereitschaft, sich so etwas vorstellen zu können, dass so etwas passieren könnte, nicht ausgereicht. Und darüber werden wir alle noch viel nachzudenken und auch zu sprechen haben.
Die Kultur hat relativ früh begonnen, dieser Fassungslosigkeit Form zu geben. Hier wurden Antworten auf die Frage, was wir tun können, um zu helfen und Solidarität zu zeigen, gefunden. Und diese Räume der Kultur brauchen wir, um miteinander verhandeln zu können, wie wir mit diesem Umstand, dass mitten in Europa ein Angriffskrieg stattfindet, umgehen können.
Die Bilder und die Szenarien, die wir jeden Tag in den Medien sehen, sind kaum auszuhalten. Es ist ein Krieg auf Menschen, aber auch auf die kulturelle Identität eines Landes. Diese systematische „Präzision“, mit der auch kulturelle Orte in der Ukraine vernichtet werden, zeigt, dass es Putins Russland auch darum geht, ganze Identifikationsorte einer Kultur zu treffen und zu zerstören. Das Theater in Mariupol mit mehreren hundert Toten, dies sich im Keller versteckt hatten, ist ein Fanal.
Was also, meine Damen und Herren, können wir jetzt tun? Aktuell wird häufig von Zeitenwenden gesprochen und ich glaube, das ist nicht zu hoch gegriffen. Aber diese Zeitenwende kann sich nicht darin erschöpfen, dass wir 100 Milliarden Euro für eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr bereitstellen. Das ist notwendig, aber es wird nicht hinreichend sein. Es geht auch um Abende wie den heutigen. Denn hier geht es um die Selbstvergewisserung, was eigentlich den Kern unserer Kultur und den Kern unseres Zusammenlebens ausmacht.
Kurkow weist heute zurecht darauf hin, dass der Krieg, den Putin führt, wahrscheinlich ein Krieg ist, den er aus Angst vor einer freien und offenen Gesellschaft, in der Freiheit und Frieden die geteilten Werte sind, führt. Und gerade vor diesem Wissen geht es für uns darum, diese – unsere – Werte zu schützen und zu verteidigen, wissend, dass es möglich ist, offen, frei und friedlich miteinander zusammenleben zu können.
Abende wie der heute lassen uns das ganz unmittelbar spüren. Heute Abend geht es darum, Kindern in der Ukraine durch Spenden an das Hilfswerk „Save the Children“ zu helfen. Das ist ein wichtiger Baustein der Hilfe.
Vergangene Woche saß ich mit der ukrainischen Generalkonsulin zusammen und wir haben überlegt, wie es uns hier gelingen könnte, die ukrainische Kultur noch mehr in unser städtisches Bewusstsein zu bringen. Sie hat mir ein Projekt von Künstlerinnen und Künstlern gezeigt, die vor dem Krieg filmisch den Sound der großen Städte in der Ukraine aufgezeichnet und daraus mithilfe von künstlicher Intelligenz dann Plastiken gemacht haben. Und wer diese Filme über die voller Kultur berstenden ukrainischen Städte sieht, der bekommt ein Gefühl davon, was wir durch unser Nicht-so-genau-wissen-wollen und Nicht-so-genau-hinsehen-wollen verpasst haben. Wir überlegen gerade, wie wir das Projekt in Hamburg zeigen können.
Meine Damen und Herren,
kürzlich ist mir ein Buch von Joseph Roth in die Hand gefallen, der Anfang der 1920er-Jahren Reportagen über seine Reisen durch die Ukraine und Russland für die Neue Berliner Zeitung geschrieben hat. Er wies darauf hin, dass es Anfang der 20er-Jahre schon einmal eine ähnliche Situation gegeben hat. Die Ukraine war eine kurze Zeit selbstständig und wurde dann von der Sowjetunion überfallen und dann sogar annektiert. Roth schreibt von einer „Ukrainomanie“, die es damals gegeben hat. Für ein paar Monate war die ukrainische Kultur in aller Munde und auf einmal war sie dann wieder verschwunden. Und das, obwohl sie, wie Roth schreibt, eine eigenständige Kultur war, die mit der russischen Kultur nichts zu tun hatte. Vielmehr hat sie eine völlig eigenständige Tradition, die es auch heute wieder zu entdecken, zu schützen und zu verteidigen gilt.
Der große Leonard Cohen hat in dem Jahr, in dem ich geboren worden bin, gesungen „There is a war between the ones who say there is a war and the ones who say there isn‘t.” Es gibt einen Krieg zwischen denen, die sagen, es gibt einen Krieg und zwischen denen, die sagen, es gibt keinen Krieg. Und das passiert gerade. Es gibt jene, die behaupten, Putin führe keinen Krieg. Und diese Lügen sind kaum auszuhalten. Dann gibt es jene, die von den schlimmsten Menschheitsverbrechen sprechen, die wir gerade erleben. Wir müssen dafür sorgen, dass wir jene Lügen der Leugner zerreißen, dass wir trotzdem hoffen und uns Abende wie den heute geben, an denen wir auf die Kraft der Vernunft, der Freiheit und des Friedens und auch des Lachens und Beieinanderseins setzen können.
Ein paar Jahre später, 1992, hat Cohen gesungen: „There’s a crack in everything, that’s how the light gets in.“ Diesen Riss zu finden und zu vergrößern, die Mauer zum Einreißen zu bringen und das Licht hereinzulassen, ist die Aufgabe, vor der wir als Gesellschaft stehen. Und ganz oft ist der Riss das, was Künstlerinnen und Künstler mit unserer Gegenwart machen. Sie schaffen einen Moment neben der Wirklichkeit, der uns zeigt, wie es noch sein könnte.
Und ich hoffe, dass wir diese Momente heute Abend sehen und dass wir mit der Fantasie gewappnet, dass es anders sein kann, nach diesem Abend nach Hause gehen und dafür sorgen, dass es nicht nur anders sein kann, sondern auch wieder anders wird.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Abend. Sorgen wir dafür, dass dieser Wahnsinn endet.
Schönen Dank.
Mit dabei waren:
Reinhold Beckmann, Dr. Carsten Brosda, Anna Depenbusch, Matthias Deutschmann, Victoria Fleer, Peter Franke, Stefan Gwildis, Hannelore Hoger, Udo Lindenberg und Pascal Kravetz, Salut Salon, Trio Essence (aus dem Varieté im Hansa-Theater – Saison 2021/2022), Anneke Schwabe, Ensemble Time Bandits von der Stadtteilschule am Hafen, Anne Weber, Gustav Peter Wöhler.
Musikalische Begleitung: Alexander Hinz, Matthias Stötzel, Manuel Weber
Moderation: Alfons