Der bittere Honig

von Shelagh Delaney

Stückinfo

Mit ihrem Stück “A Taste of Honey” (“Bitterer Honig”) wurde die 19-jährige Shelagh Delaney weltbekannt. Seit dem Riesenerfolg der Uraufführung von 1958 zählt sie zu den britischen Autoren der jungen Nachkriegsgeneration, die mit Stücken über ihre Lebenswirklichkeit das Theater vom Grund auf revolutionierten. “Plötzlich und aus dem Nirgendwo wurde England überschwemmt mit Geschichten vom Leben und den Angelegenheiten, Sorgen unterschiedlicher junger Leute aus den unteren Schichten”, gemeinsam war den Autoren die genaue Kenntnis ihres Umfelds, eine überwältigende Ehrlichkeit des Geschriebenen.

In der Theaterfassung der Truppe von Joan Littlewood wurde “Bitterer Honig” auf Bühnen von Moskau bis New York nachgespielt und von Tony Richardson mit Rita Tushingham in der Hauptrolle verfilmt und vielfach ausgezeichnet. Die ursprüngliche Fassung aber, das Stück, das die junge Autorin damals in angeblich nur zehn Tagen geschrieben und dem Living Theatre Littlewoods eingereicht hatte, blieb bisher unbekannt. Peter Zadek forschte nach dieser verschollen geglaubten Ur-Fassung, fand sie im Littlewood-Archiv der Universität Texas und begeisterte sich an der Direktheit, dem Humor und Reichtum dieses frühen Textes. Zadek interessiert die Widersprüchlichkeit des Erstlingswerks von Shelagh Delaney, das noch ohne Rücksicht auf Gesetze des Theaters geschrieben war, und er entschied sich, diese erste Fassung am St. Pauli Theater zu inszenieren. So wird fast fünfzig Jahre nach seiner Entstehung 2006 in Hamburg ein weltbekanntes Stück zur Uraufführung gebracht.

Helen ist mit ihrer halbwüchsigen Tochter Jo wieder einmal umgezogen, diesmal in eine schäbige Mietwohnung im Hafenviertel von Manchester. Jo lebt in spannungs-reichen Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter, die sie mit Einnahmen von wechselnden Männerbekanntschaften durchbringt. Helen kümmert sich wenig um die Tochter und verteidigt ihre eigene rücksichtslose Aktivität als Überlebensstrategie. Jo bricht die Schule ab, sie will unabhängig werden, und – wie die Mutter früher – in einer Bar arbeiten. Als Helen an den Weihnachtsfeiertagen überraschend ihren wohl-habenden Verehrer Peter heiratet, lädt Jo einen Freund ein, mit ihr das Fest zu verbringen, einen farbigen Seemann. Der will sie heiraten, verlässt sie aber.

Jo ist schwanger. Geoff, der sie bemuttert, zieht zu ihr. Jo glaubt, er sei schwul, er gesteht ihr, dass er noch nie mit einem Mädchen geschlafen hatte, sie aber liebt und bei ihr und dem Kind bleiben möchte. Wie vormals ihre Mutter, empfindet Jo die Schwangerschaft als Katastrophe, bemitleidet sich, unternimmt aber nichts dagegen oder dafür. Sie kapselt sich ab, aber kurz bevor man sie ins Krankenhaus bringt, nimmt sie die Hilfe ihrer Mutter wieder an, Geoff bleibt traurig allein mit einer großen Babypuppe in der Wohnung zurück.

“Shelagh Delaney bringt richtige Menschen auf die Bühne, die Witze machen und auf-brausen und handgreiflich werden und wahrscheinlich wegen der Lebenslust, die sie ihnen verleiht, überleben”. Kenneth Tynan

Schauspieler und Kreativteam

Mit: Julia Jentsch, Eva Mattes, Uwe Bohm, Oliver Urbanski, Ronald Zehrfeld, Benjamin Cabuk

in der Übersetzung von Elisabeth Plessen

Regie: Peter Zadek † | Bühne/Kostüme: Karl Kneidl | Musik: Charly Wesseler | Choreographie: Malcolm Goddard

Uraufführung

11. Februar 2006

Eine Koproduktion des St. Pauli Theaters, Hamburg, mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen, dem Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen, und dem
Théatre National du Luxembourg

Pressestimmen

“Zadeks Bitterer Honig am St. Pauli Theaer umjubelt” dpa

“Zadek fährt mit allem auf, was Theater bieten kann – mit Darstellern, die sich ganz in ihre Figuren verwandeln, mit Gesangseinlagen – und mit Poesie. Bei Zadek genügen ein paar Glühbirnen am Plafond und der Sternenhimmel ist da: Zadek der Zauberer… Jubel für Premiere mit Starbesetzung” NDR 90,3

“Eva Mattes und Julia Jentsch begeistern in Der bittere Honig” Die Welt

“…dem Altmeister gelingt eine sehenswerte Inszenierung” Deutschlandfunk

“Die zwischen Hass und Anhänglichkeit changierende Mutter-Tochter-Beziehung im Arbeitermilieu wird von Zadek fein ausgemalt und trotz scharfer Auseinandersetzungen und Prügelszenen eher leicht, fast schwebend erzählt. Brillant in jedem Moment Eva Mattes und Julia Jentsch.” Rheinischer Merkur

“Eine Inszenierung nur, natürlich, doch eine solch schillernde Inszenierung, dass selbst die (anwesenden) Intendanten der größten Hamburger Bühnen vor Neid erblassen mussten.” General-Anzeiger

“Zadek blickt nicht im Zorn zurück nach vorn, sondern fast nostalgisch back to the Fifties: Sozialgeschichtlich ins England der Entstehungszeit des Stücks, theatergeschichtlich ins England Music-Hall-Tradition.” Süddeutsche Zeitung